Samstag, 21. März 2009

Profit mit dem Blut der Opfer - Die Killerpresse

Bei allen Amokläufen an Schulen geht es nur um eins:

"Einmal im Leben im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit stehen. Es ist einfach eine grausame Form der Selbstinzenierung. Und wir sind das Zielpublikum. Und solange das Zielpublikum so schön mitmacht, werden wir immer wieder solche Amokläufe sehen." (Quelle)

Am Tag nach der Tat dachte ich noch, dass diesmal die Berichterstattung und Diskussion in halbwegs erträglichen Grenzen bleibt. Es sollte nicht so bleiben.

Nebelkerze "Killerspiele"

Spätestens am Freitag zünden Bild und andere Medien die Nebelkerze "Killerspiele" und lenken damit die öffentliche Diskussion auf das Thema. Das Bild noch während der selbst entfachten Debatte "Killerspiele" verkaufte, zeigt allerdings welchen Stellenwert das Thema bei BILD tatsächlich hatte...

Auf diese Weise war aber praktischwerweise sichergestellt, dass niemand auf die Idee kam die Arbeit der Presse zu hinterfragen. Denn während man noch auf die Verrohung und Abstumpfung der Jugend durch Computerspiele schimpft, kommt jetzt die ganz reale "Blut"und "Killer" Vermarktungsmaschinerie der Presse so richtig in Gang. Blutrünstiger als jedes Computerspiel wird das Ereignis zum "Schlachtfest für die Presse".

Die blutige Spur des Amokläufers
(Bild)

Jetzt spricht die Geisel des Amok-Killers
(Bild)

Wie "Bild" den Amoklauf in Szene setzt

Die Schreie, das Blut, die toten Mädchen - Der Schock der überlebenden Schüler
(Abendzeitung)

Video wie sich der Amokläufer in den Kopf schießt (Spiegel Online).
Das gleiche bei Stern nur unzensiert.

"Winnenden. Die Geisel berichtet exklusiv über die 2 stündige Entführung"
Exklusiv Interview beim Stern

Spiegel
Man beachte die Blutsymbolik "Killern". Glückwunsch Spiegel Redaktion, Ihr spielt jetzt endgültig in der BILD-Liga

Völlig außer Kontrolle

Wie sehr die Dinge außer Kontrolle geraten, nachdem ganze Heerscharen von Journalisten in Winnenden in Stellung gegangen sind zeigen die folgenden Beiträge...

"Die Albertville-Realschule in Winnenden ist seit der Tat belagert. Ein Heer von Kameras umgibt den Schulkomplex, unzählige Reporter sind unterwegs und haben selbst ihre Anreise als Nachricht verkauft. Die Fotografen und Kameramänner nehmen die Klassenzimmer ins Visier, hoffen am Mittwoch darauf, zumindest festhalten zu können, wie die Särge mit den Toten aus der Schule gebracht werden. Jedes Kind, jeder Jugendliche, jeder Erwachsene, der irgendetwas über den Amoklauf wissen könnte, wird ausgefragt. „Kannten Sie den Täter?“, „Kannten Sie Opfer?“, „Können Sie sich vorstellen, warum Tim K. so etwas getan hat?“, „Warst du in einer der Klassen, in die Tim K. gegangen ist?“ Und dankbar wird jede Antwort niedergeschrieben und ausgestrahlt. Ohne sie auch nur ansatzweise in Frage zu stellen. So sind am Mittwochabend Profile des Täters zu sehen, die am Donnerstag schon wieder überholt sind, von denen sich so gut wie nichts bewahrheitet hat." (Quelle)


"Noch ekelhafter sind die, die immer noch wie die Geier vor Ort stehen und den Schülerinnen vor der Realschule Geld anbieten, wenn sie in die Kameras weinen!! Oder von den örtlichen Pfarrern "authentische" Schilderungen über deren Umgang mit den Trauernden erfahren wollen" (Quelle)

"KEINE PRESSE! LASST UNS IN RUHE TRAUERN! ..... Über den Protest der Schüler berichten nur wenige Journalisten." (Quelle)


"Noch während der Bluttat von Tim K., versuchte BILD an Winnender Twitteraccounts zu gelangen und wollte von den gefundenen Winnender Twitterusern dann Live-Berichterstattungen zu lesen bekommen, mit dem Ziel, diese daraus gewonnenen Neuigkeiten schnellstmöglich auf die Onlinepräsenzen und ins jeweilige Printmedium der breiten Öffentlichtkeit (ohne Überprüfung des Wahrheitsgehalts und ohne Moral) vor die Füße zu kotzen. Alles einzig und allein mit dem Ziel, die Auflagen zu steigern und die Klickraten auf den dazugehörigen Homepages zu steigern, damit noch mehr Werbeeinnahmen generiert werden können. Tim K. als Werbeträger für BILD und Stern. Eine Art Maskottchen." (Quelle)

"Dem Vater geht es um Dankbarkeit für den großen Beistand in der Bevölkerung - und den Schmerz und die Ohnmacht darüber, wie die Bild-Zeitung und Fernsehsender sich des Bildes seiner Tochter bemächtigen. Sie, eines der 15 Opfer, liegt noch tot in der Schule, da steht, zwei Stunden nach dem Verbrechen, der Reporter vor der Haustür und will Bilder der Schülerin. Vater Schill: „Kein Ausdruck des Beileids, keine Rücksicht, kein Mitgefühl. Mein ältester Sohn hat ihn dann von der Tür gewiesen. Schill kann letztlich die Veröffentlichung der Bilder von Chantal nicht verhindern. „Die Bild-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid. Dreimal hintereinander sind Bilder von Chantal erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt.” " (Quelle)

"Manchmal hat die Berichterstattung die notwendige Distanz und den Respekt vor den Trauernden in der Tat vermissen lassen. Ich habe mich erinnert an die Medienberichterstattung über die Geiselnahme in Gladbeck und an die damalige Diskussion, die im Nachhinein geführt worden ist. Viele haben gesagt: So etwas wiederholt sich nicht; wir haben aus den Erfahrungen von Gladbeck gelernt. Ich stelle fest: Es gibt, auch im Bereich der Medien, Anlass für eine neue Diskussion." (Reinhard Grindel, MdB, Quelle)

"Und bei Bild.de heißt es: „Niemand wird ihn jemals wieder vergessen!“ So wird der Mörder zum Mythos. Ein Anreiz für Nachahmer." (Quelle)

"Die Gewaltästhetik dieser Bilder ... könnte eine Auswirkung haben auf die Bereitschaft zu sagen "Jetzt mach ich das auch"" (Joachim Kersten, Deutsche Hochschule der Polizei)
Der Profit

Wie gut sich ein Amoklauf vermarkten lässt, sieht man ansatzweise an den Statistiken im Spiegel-Forum. Zwischen dem 11.03. und dem 16.03. erscheinen im Spiegel Online Forum zum Thema Winnenden mehr als 6000 Beiträge mit knapp einer halben Million Zugriffe. Geht man davon aus das 1% der Leser eines Artikels im Forum landen, sind das 50 Million Zugriffe auf einen Spiegel Online Artikel zu Winnenden in 5 Tagen. 10 Millionen am Tag.
Der Preis für die Werbung bei Spiegel Online richtet sich nach den Zugriffen und kostet auf der Homepage mittlerweile rund 50.000 EUR pro Tag.
Stern macht Werbung für ein Exklusivinterview mit einer Geisel beim Boxkampf von Vitali Klischko bei RTL. Preis: Geschätzte 100.000 EUR pro Spot. Produktions- und andere Kosten nicht mitgerechnet.

Und wenn ein Amoklauf "Profit" bedeutet, hat man auch wenig Interesse an einer ausgewogenen Berichterstattung. Stattdessen arbeitet mancher wie bei Bild ganz gezielt am Helden für den nächsten Amokläufer...

"Winnenden ist zu einem blutüberströmten Schlachtfest für die Presse geworden." (Quelle)

"Wie sich die Medien im Blut der Opfer suhlen. Widerlich" (Quelle)

"Die Presse macht Tim. K. zum Helden für künftige Amokläufer. Wir werden diese Art der Berichterstattung wieder mit dem Leben unserer Kinder bezahlen"

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der Freiburger Satiriker und Kabarettist Dr. Satori veröffentlichte in seinem Blog http://www.pseudolus.de einen Artikel, den er "Amoklauf in Winnenden - Schlachtfest für die Presse" titulierte. Er prangert darin die Medien an. Auch ich fand es absurd und abscheulich, wie die Presse dieses traurige Ereignis zu ihrem finanziellen Vorteil ausschlachtete.

elLoco hat gesagt…

Von diesem Artikel gibt es hier auch mehrere Zitate und Links.
Kann man wirklich empfehlen...

elLoco hat gesagt…

Hier ein sehr guter Fernsehbericht.