Besonders interessant fand ich die dabei die folgende These.
"Ein Minarett ist kein religiöses Symbol, daher kann das Verbot auch keine Einschränkung der Religionsfreiheit sein."
Ein Minarett ist kein religiöses Symbol?
Die Schweiz hat nicht den Bau von runden Türmen mit spitzem Dach verboten. Ob ein runder Turm mit spitzem Dach verboten ist oder nicht hängt alleine vom Zusammenhang des Turm ab. Derselbe Turm auf einem normalen Gebäude ist in Ordnung, aber sobald der Turm in Zusammenhang mit einer Moschee und somit der Religion des Islam steht ist er verboten.
Daraus folgt: Natürlich ist ein Minarett ein religiöses Symbol. Im Grunde war dies der einzige Grund für Ihr Verbot.
Der überwiegende Teil der Diskussion drehte sich aber um die Frage:
Ist das Verbot von Minaretten eine Einschränkung der Religionsfreiheit?
Hier vertraten meine Kollegen die Auffassung:
"Nein, ein Minarettverbot ist keine Einschränkung der Religionsfreiheit, da die Muslime in Ihrem Glauben ja nicht eingeschränkt werden. Sie können nachwievor in die Moschee gehen und Beten zu wem Sie wollen."
Allerdings kann ich so auch folgende Argumentionskette aufbauen.
Unter den Nazis waren Synagogen als ganzes verboten. Allerdings wurde kein Jude daran gehindert zu beten. Die Juden mussten zwar einen Stern tragen und wurden industriell vernichtet, aber selbst in der Gaskammer konnten sie beten wann und zu wem Sie wollen. Demzufolge herrschte unter den Nazis ebenfalls Religionsfreiheit.
Sensationell.
Und so kann man sich dieser Frage auf sehr dramatische Weise nähern.
Stellen wir folgende Frage an die Mehrheit der Deutschen, die Minarette derzeit auch in Deutschland verbieten würde.
Sollten Minarette auch in Deutschland verboten werden?
Ja
Sollten nicht auch Moscheen verboten werden?
Ja, eigentlich schon.
Wenn wir Moscheen verbieten, warum verbieten wir nicht auch die Synagogen, und wenn Sie verboten sind, warum zünden wir Sie nicht an?
An diesem Punkt schwenkt die Zustimmung in blankes Entsetzen.
Der Kollege sagte: "Nur weil ich gegen Minarette bin, möchte ich keine Juden vernichten!!!".
Diese Reaktion ist interessant, weil von "Juden vernichten" hatte ich gar nichts gesagt.
Aber hier zeigt sich
was das Verbot von Minaretten bedeutet
Stören sich die Menschen an runden Türmen oder an en Gebäuden zu denen Sie gehören? Die Antwort ist natürlich, dass die viele Menschen in Europa gar keine Moscheen in Ihrer Nähe haben möchte.
Darüber hinaus gibt es keine "eingeschränkte Religionsfreiheit". Freiheit ist absolut oder man ist nicht frei. Fängt man an die Freiheit einzuschränken, gibt es überhaupt keine moralische Barriere mehr, warum man die Verbote mit der Zeit nicht noch drastisch verschärfen sollte. Und wohin das am Ende führen kann, haben wir vor 60 Jahren auf eindrucksvolle Weise gesehen.
Wenn man sich anschließend fragt, "Wie konnte das alles passieren?", so sehen wir hier einen ersten Schritt in eine gefährliche Richtung.
Aber das wirft eine interessante neue Frage auf...
Warum ist eigentlich eine Mehrheit in Europa für ein Verbot von Minaretten und defacto für ein Verbot von Moscheen?
Das Verbot von Minaretten wendet sich ausschließlich gegen den Islam. Niemand denkt derzeit über ein Verbot von Synagogen oder buddhistischen Tempeln nach. Es geht also schon mal nicht um eine allgemeine Feindlichkeit gegenüber anderen Religionen.
Aber worum geht es dann?
Schlichtweg Angst.
- Der Kalif von Köln und alle sonstigen Haßprediger,
- die Schariah
- der Karrikaturenstreit,
- die Ermordung des holländischen Regisseurs Theo van Gogh durch den islamischen Fundamentalisten Mohammed Bouyeri,
- die für uns unbegreiflichen Selbstmordattentate in Madrid, London und natürlich die Anschläge von 11. September
Das ist verständlich und als solches zu akzeptieren.
Aber!
Heute haben wir Angst vor der Ausbreitung des Islam. Vor 60 Jahren Jahren hatten wir Angst vor einer Ausbreitung der Juden. Wir haben heute die gleiche Angst wie vor 60 Jahren!
Worin liegt allerdings die Ursache für unsere Angst vor dem Islam?
Zum einen liegt die Ursache natürlich im Islam selbst, da es ihm nicht gelingt sich ausreichend von den Fundamentalisten zu distanzieren.
Auf der anderen Seite liegt es an unserem allgemeinen Desinteresse gegenüber dem Islam.
Kennt jemand das wichtigste islamische Fest und seine Wurzeln? Kennt jemand die Bedeutung der Pilgerfahrt und des gemeinsamen Gebets in der Mosche?
Das sind wirklich einfache Dinge, die zu einem besseren Verständnis führen könnten. Aber ich mache jede Wette, dass kaum jemand, der sich vor dem Islam fürchtet, diese Fragen beantworten könnte.
Unwissenheit führt zu Unsicherheit, Unsicherheit zu Angst und eine Masse in Angst führt zu........ jedenfalls nichts gutem.
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Besonders enttäuschend fand ich z.B. die Reaktion des bekannten Regisseur türkischer Abstammung Fatih Akin, der sich jetzt offen für einem Boykott der Schweiz ausgesprochen hat. Ich z.B. kenne kein einziges muslimisches Land, in dem auch nur ansatzweise Religionsfreiheit herrscht. Ich könnte ja mal versuchen in der Türkei (immerhin ein EU-Beitrittskandidat) eine Kirche zu bauen.
Sehr geehrter Herr Akin,
bevor Sie die Schweizer verurteilen und vielleicht zu folgenschweren Boykotten aufrufen, stellen Sie mir doch bitte mal die Lage der Religionsfreiheit in der Türkei aus Sicht der christlichen Minderheit dar.
Das ist auf jeden Fall schon mal keine Lösung und wird die Lage nur weiter verschärfen.
Die Lösung ist jedenfalls sehr einfach:
Zum einen sollten sich Christen, Juden und Muslime mal die gemeinsame Wurzel Ihrer Religionen vor Augen führen.
Zum anderen kann aber das Bild, welches wir vom Islam haben zu einem Teil nur durch den Islam geändert werden. Wenn man etwas ändern möchte, sollte es die Aufgabe eines jeden Muslims sein, sich klar und entschieden von jeder Art von Fudamentalismus zu distanzieren. Gleichzeitig sollten die Muslime aber auch Verständnis für die derzeitigen Ängste der Christen zu zeigen.
Das kann man sogar verallgemeinern. Generell müßen Fundamenalisten in allen Religionen religionsübergreifend geächtet und somit isoliert werden. Es sollte eine gemeinsame Front aller gemäßigten Christen, Juden und Muslime gegen den Fundamentalismus geben.
Aber wir als christliche Mehrheit müssen uns auch mehr für den Islam interessieren.
Eine Idee wären z.B. Tage der offenen Tür in Moscheen, bei denen vielleicht auch Nicht-Muslime ein Gebet miterleben können. Wenn man dies noch durch die Kommunen fördern würde, wäre dies z.B. ein Schritt der das Verständnis der Christlichen Mehrheit für den Islam stark verbessern könnte.
Ein Beispiel was passieren kann, wenn man Fundamentalisten nicht bremst, ist derzeit übrigens Isreal. Der faschistische Außenminister Israels Awigdor Lieberman hat sich offen für ethnische Säuberungen, Erschießung von muslimischen Parlementsabgeordneten und Deportationen ausgeprochen. Die Tatsache, dass solche Leute gewählt wurden zeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung genauso denkt. Noch erschreckender finde ich, dass solche Leute von der Bundesregierung auf deutschem Boden empfangen werden. Ich hoffe er hat nicht gefragt, ob wir Dachau für Ihn noch mal reaktivieren können.